Die Küche ist ein schmaler Raum mit einer Arbeitsplatte, auf der ein Wasserkocher oder eine Kaffeemaschine steht, einem kleinen Kühlschrank, einem Spülbecken und ein paar hübschen Hängeschränken aus weißem Holz und mit Glasfront. Die Schränke unter der Theke sind aus dem gleichen Holz gearbeitet, nur ohne Glasfront. Gegenüber der Küchentheke steht ein ebenso weißer Holztisch, um den eine Eckbank und drei Stühle aufgestellt sind. An der letzten freien Wand dominiert ein großes Fenster, dass nach draußen geht, aber so verzaubert werden kann, dass man nicht hinein sehen kann. Die anderen Wände sind ebenfalls wieder aus Stein, genauso wie der Boden und an den Wänden sind Fackeln, die den Raum schön hell machen.

Die Tür wurde geöffnet und riss Lydia aus ihren Gedanken. Sie unterdrückte ein Zusammenzucken und jedes andere Gefühl und folgte Tyler schnell hinein. Drinnen war es wärmer und die Neuvampirin blieb stehen, ehe sie sich umdrehte und ihrem Bruder einfach um den Hals fiel. Nichts deutete in diesem Moment darauf, wie sie sich sonst immer gab. Die junge Frau die nun in Tylers Armen lag war das Mädchen, das mit 17 Jahren unter Einsatz ihres Lebens von Zuhause geflohen war. "Ty", murmelte sie und konnte die Tränen nicht verbergen, die ihr in die Augen schossen. Wie sehr hatte sie ihren Bruder doch vermisst.

Natürlich handelte sie untypisch und es war verwirrend, doch daran dachte Lydia in diesem Moment nicht, als sie in den Armen ihres Bruders lag, das Gesicht in dessen Hemd vergraben und leise weinend. Die Vampirin schluchzte immer wieder auf und ließ sich schließlich wegschieben und auf einen Stuhl niedersetzen. Eine Weile saß sie da, wirkte so gebrochen wie schon lange nicht mehr und sah schließlich auf. Mehr geistabwesend legte sie nonverbal einen Schutzzauber über den Raum und atmete tief durch. "Ein Kaffee wäre nett", murmelte sie, die Hände im Schoss vergraben und die Finger ineinander verschränkt. "Ich ...", sie sah wieder auf und Tyler an, doch eigentlich sah sie auch durch ihn hindurch. "Ich bin kein Mensch mehr, Tyler", sprach sie schließlich und entblößte ihre spitzen Zähne, ohne sich zu rühren. Nüchtern kam die Teilwahrheit über ihre Lippen und sie sah ihren Bruder leicht unsicher an. Wenn Tyler damit ein Problem hätte ... sie wüsste nicht, wie sie damit umgehen würde können, denn Tyler war alles was Lydia Halligton noch an Familie hatte.

Die Hände um die Tasse, von der sich langsam die Wärme verflüchtigte und den Blick auf den schwarzen Rest darin gerichtet, biss Lydia sich auf die Lippen. Sofort als das Blut aus der kleinen Wunde austrat, schnellte ihre Zungenspitze nach vorne und leckte den rötlichen Lebenssaft ab. Die kleinen Tropfen waren immer noch wie eine Explosion für ihre Sinne, auch wenn es ihr eigenes Blut war, das sie da schmeckte. Doch Blut blieb im Endeffekt Blut. Die leckerste Sache für einen Vampiren. Ihr Herz raste, sie spürte es gegen ihre Brust donnern und hörte das Blut in ihren Ohren rauschen. Normalerweise hätte die junge Halligton nichts gegen die Stille, doch in diesem Moment erdrückte sie diese und sie wollte schreien. Doch ihr Mund blieb verschlossen und kein Laut verließ ihre Lippen, sie wagte es auch nicht, aufzusehen. Zu sehr fürchtete sie in den Augen ihrer einzigen Familie Hass und Verachtung lesen zu müssen. Sie verstrickte sich so sehr in ihre Gedanken, dass ihr ein überraschter Laut entfuhr, als die Tasse aus ihren Händen verschwand und sie sich kurz darauf auf den Beinen und in Tylers Armen wieder fand. Sofort wollte sie wieder in Tränen ausbrechen, hielt sie dennoch mühsam zurück. "Ich ... dass ist ncht alles", murmelte sie und löste sich vorsichtig von Tyler, ging ans Fenster und sah hinaus.

Lydia biss sich nervös auf die Unterlippen und leckte ein weiteres Mal das Blut weg. Wie beim letzten Mal frohlockten ihre Sinne ob des Blutes, auch wenn es ihr eigenes war. Doch bei der Frage ihres Bruders senkte sie den Blick, umfasste die Sims und schluckte schwer. "Erinnerst du dich an Feli?", begann sie leise und blinzelte die Tränen weg. Selbst nach fünf Jahren fiel es ihr schwer, über Felicitas zu sprechen. Sie war noch so jung ... sie beide hatten noch so viel vor, hatten große Ziele gesteckt, vieles geplant und dann wurden sie niedergerungen. "Sie ist nicht an den Drogen verstorben, sondern an den Folgen einer Ver ... gewa ...", Lydia verstummte, sie brachte dieses Wort einfach nicht über ihre Lippen.Es ging einfach nicht, ihr Hals schnürte sich zu. Die Blonde schnappte nach Luft und griff fester um die Sims, es knirschte und Putz begann herunter zu rieseln. "Es waren Derwish und Konsorte und ich wusste, ich musste weg, sonst hätten sie das zu Ende gebracht, was sie bei Feli geschafft und woran sie bei mir versagt haben. Also bin ich an dem Abend damals geflohen und ich schwor mir, nie wieder heimzukehren, doch ihc blieb nicht lange vor ihnen verschont, sie fanden mich immer wieder und die Tat von damals wiederholte sich immer und immer wieder. Bis zum letzten Mal habe ich es überlebt, nur dieses Mal war es viel schlimmer und ...", Ly drehte sich um, sie war bleich und zitterte heftig, ihre Hände waren geballt und in ihren Augen stand blanke Panik. "Ich bin dreimal mit dem Tod auf einmal konfrontiert worden und wäre Thomas nicht gewesen, würde ich nicht mehr hier stehen", schließlich wurde das Zittern so heftig, dass Ly einfach auf den Boden eingeknickte, ihre Beine ranzog und das Gesicht darin verbarg, während wieder heiße Tränen über ihre Wangen flossen.